In memoriam Josef Ritter von Gadolla

Josef Ritter  von Gadolla

in memoriam Josef Ritter von Gadolla

Es waren mörderische Zeiten in Deutschland im sogenannten Dritten Reich von 1933 bis 1945. Mit dem „Anschluss“ des österreichischen Staates – Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 12. März 1938 – an das nationalsozialistische Deutschland begannen auch für Österreich ähnlich finstere Jahre.  „Großdeutsches Reich“ war nach dem „Anschluss“ Österreichs die offizielle Bezeichnung für den NS-Staat. Das staatstragende NS-Regime errichtete den totalen Überwachungsstaat. Erbaute in Folge Konzentrations- und Vernichtungslager. Die Genozide an Juden, Sinti und Roma, die Verfolgung und Ermordung Oppositioneller, Behinderter und Homosexueller forderten mehrere Millionen Menschenleben.

Die Todesstrafe bis 1933 für drei Tatbestände vorgesehen, wurde auf 46 Tatbestände erweitert und während des Krieges massiv vollzogen. Die Verordnung vom 5. Mai 1940 zum Kriegssonderstrafrecht erlaubte den Sonderrichtern schlussendlich, für jede Straftat jegliche Strafe inklusive der Todesstrafe zu verhängen. Infolge dieser Rechtswillkür fällten die zivilen Sondergerichte rund 16.000 Todesurteile. Die Kriegsgerichte fällten rund 30.000 Todesurteile, davon etwa 23.000 wegen Fahnenflucht.

Diese Missachtung des Menschenrechts und Rechtsverdrehung traf in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs auch den gebürtigen Grazer Ritter von Gadolla.

Josef Ritter von Gadolla

Wurde am 14. Januar 1897 in Graz geboren und war ein österreichisch-deutscher Offizier – Oberstleutnant. Als „Kampfkommandant“ von Gotha in Thüringen verhinderte er am Ende des Zweiten Weltkriegs die umfangreichen Zerstörungen der Stadt. Für diese Schicksalstat wurde er am 5. April 1945 standrechtlich hingerichtet.

Jugendzeit und Ausbildung

Josef Ritter von Gadolla, Sohn einer steirischen Adelsfamilie, wurde 1897 in Graz als geboren. In den Jahren 1904 bis 1909 besuchte er die Volksschule in Graz.

Anschließend besuchte er nach alter Offiziersfamilientradition eine steirische Militärschule und absolvierte – 1913 beginnend – die Infanterie-Kadettenschule in Graz. Am 17. August 1917 wurde er an die Italienfront abkommandiert und als Zugkommandant im Mai 1918 zum Leutnant befördert.

In die Armee der neu gegründeten Republik Österreich trat Ritter von Gadolla am 1. August 1919 ein. Ab 1933 diente er als Hauptmann im Steirischen Alpenregiment Nr. 9 und wechselte – zum Major befördert – 1936 zur neuen österreichischen Fliegertruppe.

Noch während er in Österreich dient heiratet Major Josef Ritter von Gadolla – nicht standesgemäß –

Alma Sampl. 1936 wurde dem Paar Tochter Ingeborg geboren, sie verstarb 1999 in Perth, Australien.

 

Karriere in Hitlers Reich

Nach der Angliederung Österreichs an das Großdeutsche Reich wurde Josef Ritter von Gadolla ab 1938 in die Luftwaffe als Sachbearbeiter übernommen. Später wirkte er im Wehrbezirkskommando Marktredwitz. Als Oberstleutnant wurde er am 1. Juni 1943 erster Wehrbezirksoffizier und später Kommandeur des Wehrmeldeamtes Gotha.

Seine Familie, Frau Alma und Tochter Ingeborg, zogen mit ihm nach Marktredwitz und blieben auch dort, während er in Gotha war.

Im Januar 1945 wurde von Gadolla zum Wehrmachtsstandortältesten und danach zum „Kampfkommandanten“ Gothas ernannt.

Als Kampfkommandant wird der höchstrangige militärische Befehlshaber innerhalb eines umkämpften Gebietes /Stadt bezeichnet. Die Stellen der Kampfkommandanten wurden auf Weisung Hitlers 1944 geschaffen, diese Maßnahme hatte aufgrund des fortgeschrittenen Kriegsverlaufs keinen militärischen Erfolg.

 

Tödliche Befehlsverweigerung in Gotha

Als Kampfkommandant Gothas wurde Josef Ritter von Gadolla am 1. Februar 1945 auf das fragwürdige Militärstrafgesetzbuch verpflichtet, in dem verankert war, dass der zuständige Kampfkommandant den ihm übertragenen Standort bis zum Tode zu verteidigen habe.

Ab Februar 1945 war von Gadollas Kommandozentrale im Keller des Ostturmes des Gothaer Schlosses Friedenstein untergebracht.

Ende März/Anfang April 1945 standen die amerikanischen Truppen vor den Toren der Stadt Gotha und die Frage stellte sich, ob und wie die Stadt zu verteidigen sei.

Nennenswerte Anzahlen von kampfbereiten Soldaten oder Mengen an militärischem Gerät waren nicht mehr vorhanden. Die örtlichen Nazigrößen hatten sich bereits in Richtung Erfurt und Weimar abgesetzt, die Stadt ihrem Schicksal überlassen.

So traf er – auch aus heutiger Sicht das einzig Richtige – den Entschluss, dem Kampfbefehl nicht Folge zu leisten und Gotha kampflos an die Amerikaner zu übergeben. Von Gadolla schickte Reste des Volkssturms heim und ließ zum Schutz der Zivilbevölkerung die Kapitulation vorbereiten. Weiße Fahnen wehten auf öffentlichen Plätzen und Gebäuden.

Von Gadolla fuhr den amerikanischen Panzerspitzen entgegen, um die Kapitulation zu überbringen. Er wurde in Boilstädt von deutschen Soldaten abgefangen und nach Weimar verbracht.

In Gotha überschlugen sich derweil die Ereignisse. Die Amerikaner stoppten den Beschuss, nachdem die weißen Fahnen entdeckt wurden, eine alliierte Bomberflotte wurde umgeleitet. Verwundete Soldaten – in Schulen, die zu Lazaretten umfunktioniert waren – zu Kriegsgefangenen erklärt und es wurden die Bedingungen zur Übergabe der Stadt ausgehandelt und gegen 9:00 Uhr morgens fand die Übergabe der Stadt Gotha an die Amerikaner statt.

Von Gadolla selbst konnte die Stadt nicht mehr übergeben aber als verantwortlicher Kommandant hatte er bewusst gegen den Führerbefehl gehandelt und der Stadt die Zerstörung und den Einwohnern unendliches Leid erspart. Diesen beherzten Entschluss bezahlte er mit seinem Leben.

Einen Tag nach der Kapitulation Gothas wurde Josef Ritter von Gadolla am 5. April 1945 in Weimar wegen der „Aufgabe des festen Platzes Gotha“ zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen. Als seine letzten Worte sind überliefert: Damit Gotha leben kann, muss ich sterben!

Mit dem Todesurteil wurde von Gadolla ein Opfer der NS-Militärjustiz. Am 23. März 1948 wurde von Gadolla von der Republik Österreich rehabilitiert. „Schon“ 52 Jahre später hob das Oberlandesgericht Thüringen am 30. Dezember 1997 das Kriegsgerichtsurteil vom 4. April 1945 auf – „Gut Ding braucht Weile“.

Ehrungen

Gotha: Josef Ritter von Gadolla rettete durch die Missachtung militärischer Befehle neben der Zivilbevölkerung den historischen Stadtkern sowie den ehemaligen Stammsitz der Ernestiner, die Residenzschlossanlage Friedenstein vor der Zerstörung. In Gotha erinnern heute eine nach ihm benannte Straße, eine Tafel auf Schloss Friedenstein mit seinen letzten Worten und eine Gedenkstelle vor dem Neuen Rathaus in Gotha an den Retter der Stadt, dem am 1. Februar 1995 durch den Stadtrat der Titel „Verdienter Bürger der Stadt Gotha“ verliehen worden ist.

Thüringen: Nachdem das Thüringer Innenministerium 2017 erstmals der postumen Verleihung einer Ehrenbürgerschaft zugestimmt hatte, wurde Gadolla im Mai 2018 zum Ehrenbürger Gothas ernannt.

Boilstädt: Am 3. April 2015 wurde in Boilstädt, einem Ortsteil der Stadt Gotha, ein Gedenkstein mit Informationstafel eingeweiht; bei der Einweihung war die Nichte Gadollas, Helma-Doris Leinich aus Graz, anwesend.

Graz: In Graz wurde 2000 im 17. Bezirk (Puntigam) eine Straße nach Gadolla benannt. Am 5. April 2013 wurde vor der Grazer Münzgrabenkirche ein Denkmal zu seinen Ehren enthüllt. Im September 2014 beschloss der Grazer Gemeinderat, den Platz gegenüber der Stadthalle, zentral im 6. Bezirk, „Gadollaplatz“ zu nennen.

Kirche: 2012 wurde Gadolla durch die Aufnahme in das Deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts offiziell als katholischer Märtyrer anerkannt.